Gedichte
(ich, der Glaube des kapputen Jungen)Hoffnung
Unerbittlich ist neben dem Tod nur der letzte Rest der Menschheit,
denke ich.
Meine Klagen erfüllen sie mit Abscheu,
und sie drängen sich nicht wie das Wild um den Baum meiner Hoffnung:
Still der euridykischen Stimme horchen,
die selbst ihn, den Tod, zu Tränen rührt.
Es ist, wie es ist…
Einer Kuh wird ein Seil um das Vorderbein gebunden,
und sie wird mit einer Seilwinde über Bord gehievt.
Ihr Hüftknochen zerbricht an ihrem Gewicht.
Während sie gegen die Außenwand des Containerschiffes prallt,
bricht ihr ein zweites Bein.
:Sie schreit und weint,
Ein weibliches Schwein liegt seitlich auf dem Estrichboden,
und ist in einbetonierte Eisenstäbe gekeilt.
Die Ferkel saugen so öfter an ihren eiternden Zitzen, sagt der Züchter.
Sie erreichen in kurzmöglichster Zeit ihr gewünschtes Gewicht,
und können etwas früher dem Schlachthof zugeführt werden.
: (Und) ich muss schlucken
Ein Mann hat die Beine angezogen und die Hände über dem Kopf,
um sich vor den Schlägen der Soldaten zu schützen.
Sein Kopf ist voll mit Wunden und das Gesicht ist voll mit Blut.
Die Soldaten nehmen Wackersteine zu Hilfe.
Wenn ihre Arme nachlassen treten, sie ihn mit ihren Stiefeln.
: (Als) er stirbt.
Niemand steht auf
und geht zum Schreibtisch
spannt ein Blatt Papier in eine altmodische Schreibmaschine,
-und schreibt: -…und so ist es gut
zieht das Blatt aus der Rolle,
und schmeißt es zerrissen in den übervollen Papiereimer.
:Mit dem Ramsch.
Die Ente Friedell hat einen weißen Fleck auf der Brust.
Sie bettelt heute nicht um Futter,
und guckt mich staunendgroß an.
Irgendwann gehe ich in die Laube,
Hole zwei Scheiben Toastbrot aus der Verpackung,
und brösele lustlos kleine Stücke für sie klein.
:In meinen verwundenen Händen:
(„der Nagel, dass das Leben weiter\geht.“
Es geht nicht weiter.)
Krieg
Leben noch krank
Klapsmühle ist Abschaum
Hass und Angst in der Luft zu Hause
Gott schütze uns vor Krämer
Angst und Dreck überlebt
Ich, der Glaube des kaputten Jungen
Im Schlachthof
Dann der Prozess
Krieg meinen Knochen
Auch das: nur ein Gleichnis
So viele Wege sind versperrt gewesen
Unsichtbar mir: die abgesteckten Grenzen
=wie Verschlossene Türen
wie not-wendig ich das hatte: die UnMöglichleiten meiner Weise
Flüchtig auf der Stelle treten?
Ach wie lange nur!
Bin ich zu guter letzt ein Wanderer geworden
Auf menschenleeren Strassen
Und kein Flaneur, und auch kein Mann von Welt
Nach der ersten Weile:
Zerrissenheit, der Rasthof und die Ruhestätte
Für viele, und auch, wenn man mich fragt: für viel zu viele
Da ging ich weiter
Und nach der zweiten Weile:
War Unglück nur für wenige ein weiches Ruhekissen
Und Schweigen war längst über ihren höchsten Gipfeln
Und Warten auf Unendlichkeit
Da ging ich weiter
Und dann war keine Weile mehr:
Die Luft aus Eis
Und unwegsam: ein Berg
Aus Einsamkeit.
Der Weg allein:
Zu weit.
Zu Zweit?
Wer weiß?
von einem bunten Luftballon
Irgendwo
an einer kleinen Straße
warte ich
nicht mehr auf bessere Zeiten
sondern bloß noch
auf das Ende von Licht.
Vielleicht fällt auch der Vorhang,
wenn der Kopf sich senkt
und die Arme zu Boden fallen
um dem Publikum noch ein mal
(zum Abschied)
die Ehre zu erweisen.
Es liegt bloß eine Spur vom Unheil
In der Luft.
Wie im November
Wenn die Blätter blasser werden
Und arglos geht mein Blick dem Unglück nach
In der sonst harmlosen Gegend:
Ein Luftballon taumelt über den Asphalt,
stößt sich an den schlafenden Autos.
Am Rand der der Straße steht die in ängstlicher Sorge:
das Kind, das den Weg sich nicht sucht…
Es nimmt den Ball von mir zurück
und geht wortlos nach Hause:
so tief sitzt der Schreck noch
In der Nacht, die auf den Tag folgen will
ruft mich die Erinnerung wieder zurück:
Ich bin auch nicht über die Straße gegangen, damals,
Aber keiner kam,
und mir ist das Leben langsam davon geflogen
Aus meiner Sicht, aus meiner Strasse
Also bin auch nicht mehr nach Hause gegangen
Noch ganz versunken,
wie das ernste Kind nach langem Spiel
Nach Hause?: -wär’s
Wo jetzt mein schlimmer Abgrund schluchzt:
„Ich hab es nicht: …-Versucht“?
Lebenszyklus und Ich-Identität in dürftiger Zeit
Oder: Wie Ich Es Halte
Mein Feld der Übung hab ich abgesteckt
Erwartungen: berechtigt
Und wo die Grenzen meiner Wünsche sind
Bring ich wie Sachen ruhig zur Sprache
Es ist mein Recht, gewollt,
das ich mir ständig sage
Auf den Respekt, von Dir gezollt,
und meine Vorstellung: vom Tage
Die Achtung vor mir selber schon
Als wie die Sorge um mein Wohl
Mit langem Atem ausprobiert
und nicht zuletzt: an Mir
Das Resultat aus täglich harter Arbeit:
Mein Dasein als die Fertigkeit
Steht sorgsam jetzt, und fest
Auf meinem gut geübtem Felde
An den vier Ecken meiner Welt
die vorgestellten Sprüche
Respekt und Achtung, Grenzwachturm
Mein eignes ernstes: Ich
Was fehlt mir noch, was fehlt mir nun?
Nach Übung, ach so viele Jahre
Ist Wirklichkeit, ist keine bloße Ware
Der Andere als ganzer Mensch
Der Andere als Du
So trostlos sind die Tage
(„Wenn nicht ich mich um mich kümmere,
wer wird sich dann um mich kümmern?
Wenn ich mich aber nur um mich kümmere,
bin ich dann überhaupt noch ich?“, oder ähnlich, angeblich aus der Thora)
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